Bewertung von nicht beihilfefähigen Ackerflächen

Dipl.-agr.-Ing. (FH) Karsten Beck, ö.b.v. SV, Gütter & Kollegen, Hildesheim

veröffentlicht im HLBS-Report, Nr. 1/2003, S. 19 ff.

Genau 25 Jahre nach Inkrafttreten der gemeinsamen Getreidemarktordnung einigten sich die Landwirtschaftsminister der EU-Mitgliedsländer im Mai 1992 auf ein völlig neues Konzept für die Märkte der wichtigsten landwirtschaftlichen Kulturen: Getreide, Ölsaaten und Eiweißpflanzen. Diese Reformbeschlüsse traten am 01.07.1993 in Kraft und beinhalteten eine Kombination aus Preissenkung, Flächenstilllegung und Extensivierung. Als Ausgleich für die Senkungen der institutionellen Preise wurden direkte, an die Fläche gebundene Transferzahlungen eingeführt. Um die damit verbundenen Ausgaben zu deckeln, formulierten die Agrarminister die Zielsetzung, dass das Ausmaß der insgesamt beihilfefähigen Flächen nicht ausgeweitet werden darf. Somit begrenzte die EU einerseits die regionalen Grundflächen und schrieb andererseits die Beihilfefähigkeit von Ackerflächen zum Stichtag 31.12.1991 fest. In den folgenden Ausführungen wird der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen die Beihilfefähigkeit auf die Werthaltigkeit von landwirtschaftlichen Flächen hat.

Begrifflichkeiten

Die maßgebliche Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 [1] klammert in Artikel 9 Flächen von den Ausgleichszahlungen aus, die am 31.12.1991 als Dauerweiden, Dauerkulturen oder Wälder genutzt wurden oder die nichtlandwirtschaftlichen Zwecken dienten. Unter die Bezeichnung „Dauerweiden“ fallen Flächen, die zum Stichtag seit mindestens 5 Jahren durchgehend als Grünland genutzt worden sind. In Niedersachsen wird inzwischen ein Dauergrünlandabgleich vorgenommen. Dabei besteht die Möglichkeit, durch den Nachweis einer zumindest einmaligen ackerbaulichen Nutzung im Zeitraum der Jahre 1987 bis 1991, die Beihilfefähigkeit zu erreichen. Ansonsten gestatten die Gesetzgeber lediglich in Ausnahmefällen die Übertragung der Beihilfefähigkeit von einer beihilfefähigen Fläche auf eine nicht beihilfefähige Fläche im gleichen Verhältnis.

Abb. 1 – Systematik der Beihilfefähigkeit

Nur auf den beihilfefähigen Flächen können Ausgleichszahlungen beantragt werden, sofern diese im Rahmen dieser Verordnung stillgelegt oder mit ausgleichsberechtigten Kulturen bestellt werden (siehe Abbildung 1). Die Agrarreform von 1992 wird mit der Agenda 2000 (Verordnung (EG) Nr. 1251/1999 [1-2]) fortgesetzt und mit Hilfe der Flächenzahlungs-Verordnung [3] in das nationale Recht umgesetzt. Neuerdings werden die ausgleichsberechtigten Flächen auch als „flächenzahlungsfähig“ und die nicht beihilfefähigen Flächen als „grundsätzlich nicht flächenzahlungsfähig“ bezeichnet. Im Folgenden werden jedoch aus didaktischen Gründen die alten Begrifflichkeiten verwendet.

Betroffenheit

Beispielhaft für die Bedeutung der nicht beihilfefähigen Flächen wird an dieser Stelle das Zuständigkeitsgebiet der Landwirtschaftskammer Weser-Ems [6] angeführt. Die landwirtschaftliche Nutzfläche beträgt in diesem Gebiet schätzungsweise 940 Tha. Davon sind 897 Tha (95 %) in den Flächennachweisen zum Antrag auf Agrarförderung für das Jahr 2002 aufgeführt. Immerhin 234 Tha oder 26 % der beantragten Flächen sind generell nicht beihilfefähig. Bei dem überwiegenden Teil dieser nicht beihilfefähigen Flächen handelt es sich allerdings um Grünland (230 Tha). Der Umfang des obligatorischen Grünlandes kann nur geschätzt werden und macht wahrscheinlich einen erheblichen Anteil davon aus. Dennoch dürften von diesen Grünlandflächen einige tausend Hektar grundsätzlich ackerfähig sein, die aufgrund ihrer Vergangenheit aber nicht beihilfefähig sind. Abgesehen von diesen Grünlandflächen verbleiben noch rund 4 Tha nicht beihilfefähige Flächen, die zum überwiegenden Teil mit Ackerkulturen bebaut werden, oder eine Nutzung aufweisen, die eine mögliche ackerbauliche Verwendung vermuten lassen. Dies entspricht einem Anteil von 0,4 % an der in den Anträgen ausgewiesenen Fläche. Während der Anteil in dem aufgeführten Gebiet gering ist, sind in den neuen Bundesländern z.B. durch Obstbaumrodungen mancherorts umfangreiche Flächen betroffen, so dass solche Bewertungsfragen in der gutachterlichen Praxis immer wieder auftreten. Daher erfolgt im Weiteren eine Annährung an diese Fragestellung mit Hilfe verschiedener Bewertungsansätze.

Agenda 2000

Abb. 2 – Entwicklung des Interventionspreises für Getreide und der Preisausgleichs­zahlungen für die Region 3 von Niedersachsen sowie die Spanne in Deutschland

In der Abbildung 2 ist die Auswirkung der im Rahmen der Agenda 2000 [4] gefassten Beschlüsse auf die Entwicklung der Preisausgleichszahlungen exemplarisch für die niedersächsische Region 3 dargestellt.

Deutlich wird die Absenkung des Interventionspreises für den Monat November von rund 119 €/t in zwei Schritten auf rund 101 €/t und als Ausgleich die geringfügige Anhebung der Flächenzahlung für Getreide. Gleichzeitig werden die Ausgleichszahlungen für Ölfrüchte und Stilllegung abgesenkt, so dass zukünftig in dieser Region eine einheitliche Flächenzahlung von 353 €/ha/Jahr erfolgt. Ausnahme bleiben die Eiweißpflanzen, für die ein Aufschlag gewährt wird. Im Weiteren ist die monetäre Spanne der Ausgleichszahlungen in Deutschland für das Erntejahr 2003 aufgeführt. Das deutsche Eldorado der Flächenzahlungen liegt in Schleswig-Holstein. Hier werden 429 €/ha gezahlt. Auf dem anderen Ende der Skala liegt die Region 2 von Brandenburg mit 285 €/ha. Ihren Ursprung haben diese unterschiedlichen Flächenzahlungen in ihrer Ableitung von regionalen Referenzerträgen. Trotz der Absenkung der meisten Beihilfen bleibt deren Bedeutung für die Rentabilität des Ackerbaus und damit für die Werthaltigkeit des Ackerlandes unverändert bestehen.

Wichtiger Rentabilitätsbeitrag

Anhand der Rapsproduktion wird verdeutlicht, welchen entscheidenden Beitrag die gewährten Preisausgleichszahlungen für die Rentabilität dieses Produktionszweiges haben (siehe Abbildung 3): Die Vollkosten der Rapsproduktion für das Jahr 2003 betragen für einen Modellbetrieb in Mecklenburg-Vorpommern bei einem kalkulierten Ertrag von 40 dt/ha rund 23,30 €/dt. Abzüglich der Ausgleichszahlungen von umgerechnet 8,60 €/dt ergeben sich bereinigte Vollkosten von 14,70 €/dt. Etwas schlechter steht der Modellbetrieb aus Niedersachsen da. Selbst bei einem kalkulierten Ertragsniveau von 45 dt/ha ergeben sich Vollkosten von rund 28,00 €/dt, so dass nach Abzug der Ausgleichszahlung von rund 7,80 €/dt (Region 3) bereinigte Vollkosten von 20,20 €/dt verbleiben. Dem gegenüber stehen die Ernteerlöse. Diese betrugen im Mittel der Jahre 1996 bis 2001 in Niedersachsen 19,86 €/dt. Soll eine rentable Rapsproduktion auf nicht beihilfefähigen Flächen erfolgen, müssen beide Betriebe ihre Bodenkosten senken und hart an der Reduzierung der sonstigen Kosten arbeiten.

Abb. 3 – Vollkosten der Rapsproduktion im Jahre 2003 (ohne MwSt.)

Hohe Pachtpreisreduzierung erforderlich

Für den Modellbetrieb in Niedersachsen werden im Weiteren angemessene Pachtentgelte für eine beihilfefähige und eine nicht beihilfefähige Fläche kalkuliert. Dies geschieht unter Zugrundelegung einer hypothetischen Fruchtfolge mit Kartoffeln, Weizen, Gerste, Raps und bei der beihilfefähigen Fläche mit anteiliger Stilllegung. Die Berechnung erfolgt als funktionelle Einkommensanalyse und Grenzkostenbetrachtung mit flächenabhängigen Abgaben von 50 €/ha sowie zusätzlichen jährlichen Festkosten von 80 €/ha. Die Berechnungen sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Billigt man dem Verpächter einen Anteil am Reinertrag von 60 % zu, ergibt sich ein angemessenes Pachtentgelt von 329 €/ha für die beihilfefähige Fläche und von 181 €/ha für die nicht beihilfefähige Fläche. Dies entspricht einem Abschlag von 45 %.

Tab. 1 – Funktionelle Einkommensanalyse zur Ermittlung des Pachtpreises für eine beihilfefähige und eine nicht beihilfefähige Ackerfläche in Niedersachsen (Region 3)

* Die Umsatzerlöse und der Lohnansatz sind auf den nicht beihilfefähigen Flächen etwas höher, weil hier keine anteilige Stilllegung erforderlich ist.

Abb. 4 – Gegenwartswert der Flächenzahlungen je ha in Niedersachsen (Region 3)

Theoretische Kaufpreisreduzierung

Weil der berechnete Abschlag beim Pachtentgelt die Endlichkeit der Ausgleichszahlungen nicht berücksichtigt, ist dieser Abschlag nicht auf die Kaufpreise übertragbar. Um eine Näherung an einen angemessenen Kaufpreis von nicht beihilfefähigen Flächen zu finden, erfolgt eine weitere Kalkulation. Dabei wird unterstellt, dass in einer Fruchtfolge zu 75 % ausgleichsberechtigte Kulturen stehen. Entsprechend wird die Preisausgleichszahlung der niedersächsischen Region 3 in Höhe von 353 €/ha um 25 % auf rund 265 €/ha korrigiert. Weiter wird unterstellt, dass diese Beihilfen in den kommenden 4 Jahren noch voll und für weitere 6 Jahre mit einer 40-prozentigen Kürzung gezahlt werden. Kapitalisiert bei einem Zinssatz von 4 %, errechnet sich daraus ein Gegenwartswert von rund 1.673 €/ha. Diese Berechnung ist in der Abbildung 4 schematisch dargestellt. Bei einem Preisniveau von z.B. 1,50 €/m² für beihilfefähiges Ackerland entspricht dies einem Anteil von 11 % am Verkehrswert der Fläche.

Erhebung von Marktdaten

Die Berechnungen in den Modellbetrieben führen zu der Hypothese, dass der Bodenmarkt mit Preisabschlägen auf Flächen reagieren müsste, die nicht beihilfefähig sind. Da die Gutachterausschüsse i.d.R. das Kriterium Beihilfefähigkeit in ihren Datensammlungen nicht berücksichtigen, hat das Sachverständigenbüro Gütter & Kollegen die im Folgenden beschriebene Auswertung vorgenommen. Vom Gutachterausschuss für den Landkreis Hannover konnte eine nennenswerte Anzahl von Vergleichspreisen für ackerfähiges Grünland zur Verfügung gestellt werden. Diese Verkehrswerte basieren auf Verkaufsfällen von Grünlandflächen, die in der Vergangenheit als Ackerland bonitiert worden sind und entsprechend eine Ackerzahl ausweisen. Es wird unterstellt, dass diese Flächen grundsätzlich ackerfähig, aber auf Grund ihrer langjährigen Nutzung als Grünland nicht beihilfefähig sind.

In einem ersten Schritt werden die Vergleichspreise, die durch ungewöhnliche Verhältnisse beeinflusst sind, ausgesondert. In einem zweiten Schritt erfolgt eine Korrektur hinsichtlich abweichender Bonitäten mit Hilfe der gängigen Umrechnungskoeffizienten. Dabei werden die Vergleichspreise auf die Bonität der regionalen Bodenrichtwerte korrigiert. In der Abbildung 5 ist das Ergebnis dieser Untersuchung grafisch dargestellt. Die Säulen repräsentieren die Richtwerte für Ackerland in unterschiedlichen Richtwertzonen. Die Dreiecke stehen für die Vergleichspreise von Kauffällen aus den jeweiligen Richtwertzonen. Es wird deutlich, dass die Vergleichspreise in der Tendenz unter den regionalen Richtwerten für Ackerland valutieren. Im Durchschnitt aller Fälle liegt das Wertniveau der korrigierten Vergleichspreise um 22 % unter den jeweiligen Richtwerten für Ackerland. Leider konnte nicht festgestellt werden, ob den untersuchten Vergleichspreisen ausschließlich nicht beihilfefähige Flächen zu Grunde liegen. Sollten einige der ackerfähigen Grünlandflächen beihilfefähig sein, würde sich das Wertgefälle zwischen beihilfefähigen und nicht beihilfefähigen Flächen noch weiter vergrößern. Darüber hinaus müssen jedoch noch die Kosten des Grünlandumbruches gegengerechnet werden.

Abb. 5 – Vergleichspreise nicht beihilfefähiger Flächen im Vergleich mit den regionalen Richtwerten (RW) für Ackerland

Fazit

Durch die flächengebundenen Transferzahlungen, die im Rahmen der Agrarreform von 1992 eingeführt worden sind und mit der Agenda 2000 fortgeschrieben werden, wird der Bodenwert von landwirtschaftlichen Flächen beeinflusst. Wie die verschiedenen Bewertungsansätze zeigen, führt die fehlende Beihilfefähigkeit von Ackerflächen zu nennenswerten Preisabschlägen.

[1] Verordnung zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (EWG) Nr. 1765/92 vom 30.06.1992 abgelöst durch (EG) Nr. 1251/1999 vom 17.05.1999

[2] Verordnung mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1251/1999 des Rates zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (EG) Nr. 2316/1999 vom 22.10.1999

[3] Verordnung über eine Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen (Flächenzahlungs-Verordnung) vom 06.01.2000 (BGBl. I, S. 15) – vormals: Kulturpflanzen-Ausgleichs-Verordnung

[4] BUNDESMINISTERIUM FÜR VERBRAUCHERSCHUTZ, ERNÄHRUNG UND LANDWIRTSCHAFT: Agenda 2000 – Pflanzlicher Bereich, Agrarumweltmaßnahmen. Bonn 2002

[5] LANDWIRTSCHAFTSKAMMER (LWK) HANNOVER: Richtwertdeckungsbeiträge der Jahre 1996 bis 2001

[6] LANDWIRTSCHAFTSKAMMER (LWK) WESER-EMS: Sonderauswertung der Flächenanträge 2002